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Sie erledigen ihre anstrengende Arbeit bei jedem Wetter, die Fluktuation ist hoch, die Bedingungen sind oft prekär. Die Arbeitsbedingungen müssen passen, damit der Erfolg der boomenden Zustelldienste nicht auf Ausbeutung und Sozialmissbrauch beruht.

Karl Delfs, vida-Bundessekretär des Fachbereichs Straße und Leiter der KV-Verhandlungen für die vida

WAS DAMALS GESCHAH

Riders Collective
vida

Die Anzahl der Menschen, die ihren Lebensunterhalt mit Plattformarbeit bestreiten müssen, ist seit den 2000er-Jahren stark angestiegen. Dabei werden alle Risiken von den Firmen zu den Beschäftigten ausgelagert – sie werden nachfragegetrieben und damit oft sehr kurzfristig eingesetzt, nur pro »Gig« (also für tatsächlich erledigte Aufträge) – etwa pro ausgeliefertem Paket oder zugestelltem Essen – bezahlt und bringen ohne Entschädigung ihre Arbeitsmittel (Handy, Fahrrad …) in den Arbeitsprozess mit ein.

Prekäre Arbeitsbedingungen, hohe Fluktuation und kaum Gelegenheiten für persönliche Zusammenkünfte der Beschäftigten bilden eine denkbar schlechte Ausgangsbasis für betriebsrätliche Betätigung und gewerkschaftliche Organisation. Trotzdem gelingt es 2017 in Wien bei Foodora einer Gruppe von engagierten Fahrer:innen, mithilfe der Gewerkschaft vida einen Betriebsrat zu gründen. Hervorzuheben ist hier die kooperative Haltung der Geschäftsführung von Foodora, das sich innerhalb weniger Jahre vom kleinen Unternehmen zu einem europaweit tätigen Konzern entwickelt hat. Das erste Ziel der Rider, wie sich die Fahrradkuriere nennen, ist eine Betriebsvereinbarung, um etwa bessere Arbeitsbedingungen, Zuschläge für besonders anstrengende Dienste und mehr Angestellte statt freier Dienstverhältnisse zu erreichen.

Riders Collective
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Mittelfristig soll Foodora als Vorbild für die ganze Branche dienen, daher wird die Ausverhandlung eines eigenen Kollektivvertrags angestrebt. So erfolgt nach konstruktiven Verhandlungen mit der Wirtschaftskammer am 17. September 2019 die Einigung auf den weltweit ersten Kollektivvertrag für Fahrradbot:innen und damit die Grundlage für deren arbeits- und sozialrechtliche Absicherung. Die positiven Auswirkungen des ab Anfang 2020 geltenden Kollektivvertrags sind für angestellte Rider rasch merkbar: Das monatliche Fixgehalt beträgt 2020 mindestens brutto 1.506,- Euro und wird seitdem jährlich bei den Lohnverhandlungen angepasst. Sie erhalten Urlaubs- und Weihnachtsgeld, Sonntagszuschläge und Kostenersatz bei der Verwendung des eigenen Fahrrads und Handys.
Drei Jahre später bekräftigt im Dezember 2022 ein Abschluss über der Inflationsrate mit einer deutlichen Reallohnerhöhung für angestellte Fahrer:innen die Ziele der Gewerkschaft vida, noch weitere Rider unter den Schutzschirm des KV zu bringen, die Scheinselbstständigkeit in der Branche zu bekämpfen sowie diese sukzessive aus dem Niedriglohnsektor heraus zu entwickeln.

FOTOS ZUM MEILENSTEIN

Download von www.picturedesk.com am 07.09.2023 (14:42). 22 August 2019, Berlin: A woman with a whistle and a delivery box on her bicycle takes part in a demonstration for better working conditions for food delivery workers. The Food and Catering Union (NGG) is calling for the demonstration on the nationwide "Riders Day". Photo: Christoph Soeder/dpa - 20190822_PD4457 - Rechteinfo: Rights Managed (RM)
Christoph Soeder / dpa / picturedesk.com
Erste foodora-BR-Vorsitzende Adele Siegl mit vida-Gewerkschafter Karl Delfs im Einsatz für Fahrradbot:innen.
Erste foodora-BR-Vorsitzende Adele Siegl mit vida-Gewerkschafter Karl Delfs im Einsatz für Fahrradbot:innen. vida
Adele Siegl mit Karl Delfs
Adele Siegl mit Karl Delfs vida

Weitere Quellen