Stimme für soziale Gerechtigkeit –
die erste ÖGB-Urabstimmung
19.Okt 2001
Wir sind nicht für den Konflikt, sondern für den Konsens. Sollten die Verhandlungen aber erfolglos sein, dann scheuen wir nicht den Kampf, und dann scheuen wir nicht den Streik.
WAS DAMALS GESCHAH
Wenn aber eine Regierung – in dem Fall die erste ÖVP/FPÖ-Regierung ab 2000 – den Dialog aufkündigt, ist es an der Zeit zu zeigen, dass ÖGB und Gewerkschaften auch anders können. Denn diese Regierung plant massive Belastungen für Arbeitnehmer:innen und eine Schwächung der Gewerkschaften. Soziale Gerechtigkeit sowie freier Zugang zu Bildung und medizinischer Versorgung stehen auf dem Prüfstand. An die Stelle einer solidarischen Gesellschaft soll die Durchsetzung des Rechts des Stärkeren treten.
Daher beschließen alle Fraktionen des ÖGB-Bundesvorstands am 19. Juli 2001 die Abhaltung einer Urabstimmung:
Die Ausschaltung der Sozialpartnerschaft in sozialen Fragen und angekündigte erkennbare Eingriffe in elementare Mitbestimmungsrechte sowie soziale Grundrechte der Arbeitnehmer:innen und Pensionist:innen veranlassen den ÖGB-Bundesvorstand, eine Urabstimmung unter den ÖGB-Mitgliedern über die soziale Entwicklung Österreichs und die dazu notwendigen Kampfmaßnahmen zu beschließen.
Nach mehr als 200 Aktionen zur Information über die Inhalte beteiligen sich 806.545 Menschen und damit knapp 57 Prozent aller Gewerkschaftsmitglieder zwischen 24. September und 15. Oktober 2001 an der Abstimmung. Das am 19. Oktober 2001 veröffentlichte Ergebnis erhält einen klaren Auftrag:
- Frage 1: Stärkung der österreichischen Sozialpartnerschaft, Ausweitung der Mitbestimmungsrechte – 95,4 % dafür.
- Frage 2: Beibehaltung der Pflichtversicherung, um auch weiterhin für alle unabhängig vom Einkommen Gesundheits- und Pensionsversorgung zu gewährleisten – 96,4% dafür.
- Frage 3: Lohnerhöhungen und Arbeitszeiten sollen auch weiterhin durch Gewerkschaften in Kollektivverträgen geregelt werden – 96,8% dafür.
- Frage 4: Anspruch auf Abfertigung ab dem ersten Tag und auch bei Selbstkündigung – 88,5% dafür.
- Frage 5: Für eine schulische und berufliche Bildungsoffensive und einen offenen Bildungszugang ohne soziale Barrieren – 94,2% dafür.
- Frage 6: Privatisierungsstopp bei öffentlichem Eigentum, Sicherung der Grundversorgung durch die öffentliche Hand – 94,6% dafür.
- Frage 7: Ergreifen gewerkschaftlicher Kampfmaßnahmen zur Durchsetzung der Forderungen – 88% dafür.
Die ÖGB-Mitglieder haben damit ein deutliches Zeichen für Konsensdemokratie und ausgewogene soziale Reformen, gegen eine Politik der Polarisierung und des Drüberfahrens gesetzt. Ein Jahr danach können sie mit der Bilanz des Erreichten durchaus zufrieden sein: Vieles – etwa die Reform »Abfertigung neu« – ist umgesetzt, um anderes muss noch gekämpft werden.
Weitere Quellen
- DER ÖGB, DIE URABSTIMMUNG UND DIE POSITION DER BUNDESREGIERUNG (PK0631/26.09.2001) | Parlament Österreich
- ERINNERUNG: Zehn Jahre ÖGB-Urabstimmung | ÖGB Österreichischer Gewerkschaftsbund, 17.10.2011 (ots.at)
- ÖGB-Urabstimmung: Zahlen, Daten, Fakten | 19.10.2001 (ots.at)
- Urabstimmung der Gewerkschaft gegen schwarz-blaue Reformen fand mehr als 800.000 Unterstützer - 10. Jahrestag des ÖGB-Aufstandes - Wiener Zeitung Online (tagblatt-wienerzeitung.at)
- Die Urabstimmung des ÖGB | Forderungen und Ergebnisse - Arbeit&Wirtschaft (arbeit-wirtschaft.at)
- ÖGB-Urabstimmung war ein Riesenerfolg | 14.10.2003 (ots.at)