70.332 Postkarten –
Pensionsangleichung nur mit Gleichbehandlungspaket
29.Jän 1991
Solange die Frauen nicht in allen Lebensbereichen gleichbehandelt werden, darf es kein gleiches Pensionsanfallsalter geben.
WAS DAMALS GESCHAH
Noch im Dezember 1990 formulieren die ÖGB-Frauen ein Überschriftenpapier, in dem sie im Gegenzug für die Angleichung des Pensionsalters die Gleichstellung von Frau und Mann in Arbeitswelt und Gesellschaft fordern – die Geburtsstunde des Gleichbehandlungspakets. Dann mobilisieren sie mit einer Postkartenaktion für diese Forderungen. Beim ÖGB-Frauenkongress im Jänner 1991 übergibt die ÖGB-Frauenvorsitzende Hilde Seiler dem überraschten Bundeskanzler Franz Vranitzky eine überdimensionale Postkarte – stellvertretend für 70.322 unterschriebene Postkarten.
Innerhalb weniger Wochen entsteht aus dem Überschriftenpapier ein ausformulierter Forderungskatalog. Diese gemeinsam von der neu gewählten ÖGB-Frauenvorsitzenden Irmgard Schmidleithner, den Frauenvertreterinnen der ÖGB-Landesorganisationen und der AK-Juristin Brigitte Mlinek ausgearbeiteten Forderungen finden in der Regierung in Frauenministerin Johanna Dohnal eine durchsetzungsstarke Unterstützerin.
Wir werden eine Änderung des unterschiedlichen Pensionsanfallsalters […] nur dann akzeptieren, wenn im Gleichklang damit die Voraussetzungen geschaffen werden, dass die Frauen in Beruf und Gesellschaft den Männern tatsächlich gleichgestellt sind.
Und so einigen sich nach zähen Verhandlungen die Regierungsparteien SPÖ und ÖVP am 14. Oktober 1992 auf das ab 1993 geltende Gleichbehandlungspaket. Im Dezember werden 15 Gesetze dafür novelliert und das Bundesgesetz für die schrittweise Anhebung des Frauenpensionsalters ab dem 1. Jänner 2024 beschlossen. Zur Überprüfung der Wirksamkeit der Gleichstellungsmaßnahmen und weil noch zahlreiche Forderungen des ursprünglichen Pakets offengeblieben sind, wird ein Berichtslegungsgesetz verabschiedet. Zudem wird im Nationalrat ein Gleichbehandlungsausschuss eingerichtet.
- Frauen leisten einen Großteil der unbezahlten Care-Arbeit,
- die Vereinbarkeit von Kindern und Beruf ist wegen fehlender Kinderbildungseinrichtungen nur schwer möglich,
- die Einkommensschere zwischen Frauen und Männern beträgt fast 20 Prozent,
- Frauen bekommen etwa 42 Prozent weniger Pension als Männer.
Wir wollen mehr Arbeitsplätze, Chancengleichheit, Einkommen, Solidarität.
FOTOS ZUM MEILENSTEIN
Weitere Quellen
- Gewerkschaftsgeschichte Pensionsantrittsalter | ÖGB (oegb.at)
- Johanna Dohnal und die Gewerkschaften | ÖGB (oegb.at)
- So san die Emanzen | ÖGB (oegb.at)
- Ohne uns gehts nicht | ÖGB (oegb.at)
- 72 Jahre, 19 Kongresse - eine Geschichte | ÖGB (oegb.at)
- Sieben Jahrzehnte ÖGB-Frauen | ÖGB (oegb.at)
- Die unbeugsame Hilde Seiler | ÖGB (oegb.at)
- Irmgard Schmidleithner: „Sie geben uns nichts freiwillig“ | ÖGB (oegb.at)
- Frauen bekommen 42 Prozent weniger Pension als Männer | ÖGB (oegb.at)