Vorwort zu »Eine Bewegung – viele Geschichten«
Liebe Mitglieder, geschätzte Kolleginnen und Kollegen,
das vor Euch liegende Buch ist weit mehr als meine historische Abhandlung über die Errungenschaften der Gewerkschaftsbewegung. Es ist ein lebendiger Spiegel unserer gemeinsamen Geschichte, ein ehrendes Andenken an all jene, die Generation für Generation für die Rechte der Arbeiter:innen gekämpft haben, und eine Erinnerung daran, wie unsere Solidarität und Entschlossenheit die Welt nachhaltig verändert haben.
Die Stärke unserer Gewerkschaftsbewegung kommt von den Menschen, die sich unermüdlich für die Verbesserung ihrer Arbeitsbedingungen, sozialen Sicherheit und Würde einsetzen. Jede Seite dieses Buches erzählt eine einzigartige Geschichte von Entschlossenheit, Solidarität und der unermüdlichen Arbeit für eine gerechtere Welt.
Durch die kollektive Kraft unserer Mitglieder haben wir zahlreiche Siege errungen. Dieses Buch feiert diese Siege, erinnert uns an unsere bemerkenswerte Entwicklung und ermutigt uns, weiterhin für unsere Überzeugungen zu kämpfen.
Ich möchte diese Gelegenheit nutzen, um jeder und jedem Einzelnen von Euch meinen aufrichtigen Dank auszusprechen. Ihr seid das Herz und die Seele unserer Bewegung. Eure Entschlossenheit und Engagement sind der Motor unserer Erfolge. Ohne Eure Unterstützung und Hingabe wären unsere Errungenschaften undenkbar gewesen.
Auf den kommenden Seiten findet ihr faszinierende Geschichten und beeindruckende Erfolge. Wir hoffen, dass ihr diese Geschichten nicht nur als historische Episoden betrachtet, sondern als Quelle der Inspiration für die Gestaltung unserer Zukunft. Die Herausforderungen, vor denen wir heute stehen, sind vielfältig, doch ich bin zutiefst davon überzeugt, dass wir, gemeinsam und solidarisch, auch weiterhin Großes erreichen können.
Lasst uns unsere Geschichte ehren, indem wir unbeirrt für die Rechte der Arbeiter:innen soziale Gerechtigkeit kämpfen.
Ich danke Euch, dass ihr Teil dieser bewundernswerten Bewegung seid, und wünsche Euch viel Freude beim Lesen dieses Buches.
Wolfgang Katzian
Präsident Österreichischer Gewerkschaftsbund
»Ein gutes Leben für alle!«
Wolfgang Katzians Leitmotiv seit seinem Antritt als ÖGB-Präsident 2018 verdeutlicht auch die nie endende Mission der Gewerkschaftsbewegung. Der hier vorliegende »Ewige Kalender« zeigt eine kleine, aber inhaltlich breit gefächerte Auswahl an Erfolgen, Kämpfen und wesentlichen Ereignissen und Entwicklungen. Dabei werden sowohl der ÖGB als Dachorganisation als auch alle Gewerkschaften, die den ÖGB ausmachen, in ihrer Entwicklung präsentiert. Zeitlich spannen wir den Bogen von der Gründung des ÖGB im Jahr 1945 bis in die unmittelbare Gegenwart. Thematisch orientieren wir uns dabei an den Schwerpunkten des beim ÖGB-Bundeskongress im Juni 2023 beschlossenen Programms, um die Kontinuität der gewerkschaftlichen Arbeit deutlich zu machen.
KLIMA, ENERGIE, TRANSFORMATION, MOBILITÄT, VERKEHR – JUST TRANSITION
Klima, Verkehr und Energiewende sind zentrale gesamtgesellschaftliche Herausforderungen für die kommenden Jahre. Der ÖGB hat schon vor einigen Jahren erkannt, dass dieser Wandel auch eine Chance für eine Joboffensive beinhaltet. Gemeinsam mit den anderen Sozialpartnern wurde deshalb im Jahr 2022 die Umweltstiftung gestartet – eine Arbeitsstiftung, die interessierten Arbeitssuchenden die Möglichkeit eröffnet, sich praxisnah für am Arbeitsmarkt nachgefragte »Green Jobs« zu qualifizieren.
SOZIALE SICHERHEIT
Wie durchlässig das Netz für Soziale Sicherheit in Krisenfällen ist, hat die Corona-Pandemie vor Augen geführt. Nur dem raschen konstruktiven Handeln von ÖGB und den anderen Sozialpartnern ist es zu verdanken, dass mit der Regierung schon im März 2020 die erste Corona-Kurzarbeit vereinbart werden kann. Noch weitere, jeweils an die aktuelle Entwicklung angepasste Vereinbarungen folgen, mehr als eine Million Arbeitsplätze können dadurch gerettet werden.
PFLEGE, FAMILIENLEISTUNGEN, ARMUT, SOZIALHILFE
Die Corona-Krise hat auch die enormen Herausforderungen im Gesundheits- und Pflegebereich wieder deutlich gezeigt. Die während der Pandemie ins Leben gerufene Offensive Gesundheit macht Druck, damit dringend notwendige Verbesserungen der Arbeitsbedingungen und Entlohnung im Gesundheits- und Pflegesystem möglichst bald umgesetzt werden.
BILDUNG
Dass gute Bildung ein wichtiger Faktor sowohl für die Berufslaufbahn als auch gesellschaftliche Teilhabe ist, weiß die Arbeiter:innenbewegung seit dem 19. Jahrhundert. Deshalb begrüßt die Gewerkschaftsjugend auch die Ausbildungspflicht bis 18 – allerdings verbunden mit der Forderung nach besserer Ausbildungsqualität in der Lehre. Darauf, dass Kindergarten und Hort nicht nur Orte für Spiel und Bastelei, sondern Orte des sozialen Lernens und erste Bildungseinrichtungen sind, weisen Elementarpädagog:innen seit Jahren immer wieder mit Kampfmaßnahmen hin – denn weder verfügbare Ressourcen noch ihre Ausbildung oder Bezahlung werden diesem Anspruch gerecht.
WIRTSCHAFTS- UND INDUSTRIESTANDORT
Der Kampf gegen eine neoliberale Politik, die sowohl den Wirtschaftsstandort als auch den Sozialstaat gefährdet, wird mit nicht nachlassender Energie seit einigen Jahrzehnten geführt. Unmittelbare Folgen von ungebremster Globalisierung und Marktliberalsierungen spüren derzeit alle Menschen durch explodierende Preise für Wohnen, Energie und Essen. Mit der Aktion Preise runter liegt nun ein umfassendes Entlastungspaket vor – an der Überzeugung der Regierung, es auch umzusetzen, wird gearbeitet.
ARBEITSMARKT
Alle Themen rund um den Arbeitsmarkt – vom Ziel der Vollbeschäftigung über die aktive Gestaltung des Wandels der Arbeitswelt bis zur Absicherung bei Arbeitslosigkeit oder Arbeitsunfähigkeit – sind eine Kernaufgabe der Gewerkschaftsbewegung. Die rechtliche und soziale Absicherung der Arbeitnehmer:innen, erreicht etwa durch das ASVG oder das Arbeitslosenversicherungsgesetz, zählen zu den zentralen, immer wieder neu zu verteidigenden Errungenschaften. Auf besonders herausfordernde Arbeitsbedingungen aufmerksam zu machen und für entsprechende Kompensationen zu kämpfen, gelingt mit Initiativen wie der zu Achtung Schwerstarbeit.
ARBEIT UND EINKOMMEN
Auch der Kampf um angemessene Entlohnung der Arbeitsleistung, verbunden mit der Festlegung der Rahmenbedingungen – Arbeitszeit, Schutz der Beschäftigten etc. – in Kollektivverträgen, ist eine der immer wieder zu erledigenden Aufgaben der Gewerkschaftsbewegung. Die zunehmende Prekarisierung der Arbeitswelt, sei es durch atypische Beschäftigung oder Plattformarbeit, stellt dabei eine immer drängender werdende Herausforderung dar. Zahlreiche Gesetze – Kollektivvertragsgesetz, Arbeitsverfassungsgesetz, Arbeitszeitgesetz, Urlaubsgesetz, Arbeitnehmer:innenschutzgesetz, Gesetz gegen Lohn- und Sozialdumping, die arbeitsrechtliche Gleichstellung von Arbeiter:innen und Angestellten, Maßnahmen zur Gleichstellung freier Dienstnehmer:innen mit Angestellten – zeigen eindrücklich die gewerkschaftlichen Erfolge der letzten Jahrzehnte. Der weltweit erste Kollektivvertrag für Fahrradbot:innen ist Beleg dafür, dass die Gewerkschaft auch in der Welt der Plattformarbeit, einer Entwicklung des 21. Jahrhunderts, für Verbesserungen sorgen kann.
Trotzdem müssen einmal erkämpfte Errungenschaften immer wieder verteidigt werden, manchmal kommt es trotz eindrucksvoller Abwehrmaßnahmen der Arbeiter:innen- und Gewerkschaftsbewegung zu Verschlechterungen, wie etwa während der Zeit der schwarz-blauen Regierung zu Beginn der 2000er-Jahre. Die Kampfmaßnahmen gegen die Pensionsreform, der Postbus-Streik, der 66-Stunden-Streik der ÖBB konnten jedoch einige Härten abwenden.
EUROPA, EU UND INTERNATIONALES
Der Kampf um ein gutes Leben für alle ist ein universal gültiges Anliegen der Gewerkschaftsbewegung. Um sich möglichst gut vernetzten und abstimmen zu können, wird der Europäische Gewerkschaftsbund gegründet. Ein Erfolg für grenzüberschreitende faire Arbeitsbedingungen ist etwa der Kollektivvertrag zur Arbeitskräfteüberlassung. Dafür, dass Initiativen für bessere Arbeits- und Lebensbedingungen nicht nur über Landes-, sondern auch über ideologische Grenzen hinweg geschlossen werden können, ist die Europäische Allianz gegen Sonntagsarbeit ein Paradebeispiel.
DEMOKRATIE, BETRIEBLICHE MITBESTIMMUNG
Das Eintreten für Demokratie, Mitbestimmung, eine pluralistische Gesellschaft, in der soziale Gerechtigkeit, Chancengleichheit und Diskriminierungsfreiheit eine Selbstverständlichkeit sind, ist in der Gewerkschaftsbewegung tief verwurzelt. Das Betriebsrät:innengesetz und das Jugendvertrauensrätegesetz sind hart erkämpfte und immer wieder verteidigte Errungenschaften in diesem Sinne. Mit dem Gleichbehandlungspaket und dem Gleichbehandlungsgesetz, vor allem errungen von den ÖGB-Frauen, wurden die Grundlagen für die Gleichbehandlung von Frauen und Männern in der Arbeitswelt gelegt sowie allgemein Diskriminierungen verhindert. Um die Wichtigkeit dieser Grundprinzipien zu unterstreichen und darüber mit den Mitgliedern ins Gespräch zu kommen, initiierte der ÖGB 2022 den Sommerdialog Demokratie und Mitbestimmung.
Die hier erwähnten Ereignisse und Erfolge sind nur ein Ausschnitt von dem, was der Ewige Kalender für dich bereithält. All diese erreichten und immer wieder verteidigten Erfolge wären nicht möglich ohne dich – dein gewerkschaftliches Engagement, deine Beteiligung an der einen oder anderen Aktion, deine Tätigkeit für die Gewerkschaftsbewegung haben das alles möglich gemacht. Und wir hoffen, dass diese kleine Auswahl dir Kraft gibt, die Gewerkschaftsbewegung auch weiterhin nach Kräften zu unterstützen. Denn die erkämpften Erfolge mit dem Ziel eines guten Lebens für alle zeigen es ganz deutlich: Dafür ÖGB!
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Ein herzliches Glück auf!
Sabine Lichtenberger und Ute Wödl